Montag, 23. Januar 2012

Kaiserin Auguste Viktoria (1858 bis 1921)

"Sie bewies große Charakterstärke"
- Einige Skizzen zur Persönlichkeit der letzten Deutschen Kaiserin

Kaiserin Auguste Viktoria (1858-1921) (Wiki) war eine würdevolle Frau, schon in jungen Jahren (Abb. 1, 2).

Abb. 1: Auguste Viktoria als noch junge Frau

Wer heute das Neue Palais in Potsdam besichtigt, erfährt dort viel über das Familienleben der kaiserlichen Familie. Diese Familie bewohnte dieses riesige, prachtvolle Schloß. Hier befindet sich zum Beispiel auch heute noch das Bett, in dem Kaiser Friedrich III. so plötzlich im "Dreikaiserjahr" 1888 gestorben ist. Hier befindet sich der Saal, in dem die kaiserliche Familie alljährlich Weihnachten gefeiert hat. Es können die für damalige Zeiten "modernen" technischen Einrichtungen im Schloß besichtigt werden.

Abb. 2: Die Kaiserin in jüngeren Jahren

In der Neuen Deutschen Biograhie wurde 1953 über sie geschrieben (1):

Nach ruhig verlebter Kindheit vermälte sich Augusta in echter gegenseitiger Zuneigung zu dem letzten deutschen Kaiser. (...) Augusta wurde eine Landesmutter im tiefsten Sinne des Wortes. Streng kirchlich gesinnt, wandte sie ihre ganze Sorge ihrer Familie und der im Volke herrschenden Not zu. 40 Kirchen entstanden in Berlin, 4 Millionen spendete dafür allein das Kaierhaus. (...) Ihr politischer Einfluß ist schwer abzuschätzen; der Kaiser fand vor allem an seiner innerlich ausgeglichen Gattin in schweren Gemütskrisen Halt, insbesondere nach der Daily Telegraph-Affäre 1908.

Weiter ist zu erfahren (2):

Eine eigene Familie zu haben - das bedeutete der jungen Auguste Victoria viel mehr als der Aufstieg in die mögliche Thronnachfolge. Die schönsten Jahre ihres Lebens verbrachte sie als Prinzgemahlin im Marmorpalais in Potsdam. Dort wurden ihre ersten vier Söhne geboren, um die sie sich zärtlich kümmerte. Dort erfreute sie sich ungetrübter Zweisamkeit mit ihrem Mann, der später so viel auf Reisen war. Aber sie führte in Potsdam auch gleich die Sitten ein, die sie aus Primkenau (in Schlesien) kannte: Als Tochter des Gutsbesitzers war sie daran gewöhnt, in den Dörfern Krankenbesuche zu machen und die Armen zu Weihnachten zu bescheren. So hielt sie es nun auch als Prinzgemahlin. Gern besuchte sie anonym mittellose Familien, um ihnen ein Geldgeschenk zu hinterlassen. Und gern übernahm sie ihre erste Schirmherrschaft über das Rettungshaus am Pfingstberg - ein Heim für, wie man damals sagte, verwahrloste Knaben. Als erstes sorgte sie dort für neue Waschgelegenheiten, denn die Jungen hatten nur eine Pumpe im Hof. Aber dabei blieb es nicht. Auch am Pfingstberg sollte schließlich neu gebaut werden.

Damit ist nur ein kleiner Ausschnitt aus ihren sozialen Bemühungen wiedergegeben.

Abb. 3: Man darf sagen, daß die Kaiserin eine schöne Frau war

In einer Biographie über die Kaiserin (2) kann man viele wenig bekannten Dinge erfahren. So hat sie schon in früher Jugend in einem Brief geschrieben:

"Ich halte es für ungerecht, daß die armen Leute so wenig Resultate ihrer Arbeit sehen und genießen. Wie können wir Höhergestellten, wenngleich wir Sympathien für diese Frage haben, ihnen helfen? Ich meine, daß es unsere heilige Pflicht ist, nicht nur nach der eigenen Behaglichkeit zu streben, sondern das Glück anderer zu fördern."

Abb. 4: Mit ihren beiden jüngsten Kindern

Wir lesen weiter (2): 

Sie genoß ihre Ehrenämter und wurde dadurch mit der Zeit immer selbstbewußter. Allmählich entwickelte sie auch eine gewisse Frauensolidarität. Sie setzte sich nachdrücklich für die Berliner Heimarbeiterinnen ein, sorgte für Müttererholungsheime und betrieb schließlich sogar die Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium. (...) Man schätzte sie nun nicht nur als Wohltäterin, sondern auch als Vermittlerin. Sie wurde immer beliebter.
Nahezu vollendet hat Auguste Victoria das konservative Frauenideal ihrer Zeit verkörpert. Aber sie hat dabei das Leben einer Frau von heute geführt, die alles zugleich sein will: perfekt als Gattin, perfekt als Mutter, perfekt im Beruf und perfekt im Auftreten. Die Mehrfachbelastung hat sie sich nicht nehmen lassen. Auch als Kaiserin kümmerte sie sich weiterhin täglich um ihre mittlerweile sieben Kinder, sagte ihnen jeden Abend gute Nacht und begleitete, so oft es ging, ihren Unterricht. Die Kinder blieben immer das Wichtigste in ihrem Leben - und sie dankten es ihr: Jörg Kirschstein: "Die Kinder hatten zur Mutter ein sehr vertrauensvolles Verhältnis in der Tat, was sie ja zum Kaiser nicht hatten. ... Also sie war sehr mütterlich und hat ihren Kindern doch den Schutz gegeben, den sie gesucht haben und das hat man dann auch gemerkt, da alle Kinder eine sehr, sehr enge Bindung hatten." Das sagt Jörg Kirschstein, der ein Buch über die Kinder der Kaiserin geschrieben hat.
Abb. 5: Das Kaiserpaar

Schließlich brach der Erste Weltkrieg aus (1):

Im ersten Weltkrieg setzte sich die Kaiserin energisch im Sinne einer starken Kriegsführung wie der Erhaltung der Rechte der Krone ein. Am Sturz Bethmann-Hollwegs und des Kabinettschefs Valentini war sie nicht unbeteiligt.
Abb. 6: Das Kaiserpaar

Und es heißt weiter (1):

In der Revolution wie in Doorn bewies sie große Charakterstärke, von einer freiwilligen Auslieferung des Kaisers an die Feindmächte wollte Augusta nichts wissen. Bei ihrer Beisetzung im antiken Tempel bei Potsdam bezeugte die Teilnahme von hunderttausenden deutscher Männer und Frauen die Beliebtheit, die sie im Volke genoß.
Abb. 7: Auguste Viktoria in Doorn

Erich Ludendorff, der während des Ersten Weltkrieges ab 1916 in engere Berührung mit der kaiserlichen Familie gekommen ist, spricht in seinen Lebenserinnerungen von der Kaiserin ebenfalls mit großer Hochachtung. Er berichtet von dem Bezug seiner neuen Wohnung in der Viktoriastraße in Berlin-Tiergarten im März 1919 und fährt dann fort (3, S. 54):

Es kamen auch Hohenzollernprinzen, die Söhne des Kaisers, zu mir. Es war damals ruhige Würde in ihrem Auftreten. Sie sprachen mit Verehrung von ihrem Vater, erzählten von seinem Leben in Amerongen, auch von dem Kronprinzen in Wieringen. In Liebe hingen sie an ihrer Mutter, der Kaiserin, und erwähnten mit tiefer Befriedigung, wie würdig sich die hohe Frau  den Revolutionären gegenüber benommen habe.
Abb. 8: Kaiserin Auguste Viktoria

Und an späterer Stelle kommt er noch einmal auf die kaiserliche Familie zu sprechen und man staunt doch über die Einfühlung, mit der Ludendorff über das persönliche Verhältnis zwischen der Kaiserin und dem Kaiser spricht (3, S. 159):

Während der wirtschaftlichen, völkischen und seelischen Not, unter der Millionen Deutsche litten, erfolgte das Ableben der Kaiserin Auguste Viktoria am 11.4. in Doorn. Eine tiefe Verehrung und die glühende Liebe zum Vaterlande verband mich mit der hohen, würdevollen Frau. Sie war dem Kaiser eine treue Gefährtin und übte auf ihn mit schönem weiblichen Takt einen tiefgehenden Einfluß aus. Bei der Besorgnis des Kaisers, daß er von anderen abhängig erscheinen könnte, betätigte sie ihn mit der größten Zurückhaltung, ja Vorsicht. Einst hatte ich im Hauptquartier in Kreuznach, nach einem Mittagessen beim Kaiser, eine Unterredung mit der Kaiserin im Blickfelde des Kaisers. Sie bat mich, beiseite zu treten, damit der Kaiser unsere lange Unterhaltung nicht wahrnehme, die über Fragen, über die sie gerne meine Ansicht hören wollte, ging. Sie wußte wohl, daß der Kaiser und ich gegensätzliche Naturen waren, aber auch, daß ich nur das wollte, was auch für den Obersten Kriegsherrn nach meiner Ansicht das Beste sei. Ich teile dies mit, nur um zu zeigen, mit welcher Zurückhaltung die hohe Frau ihre Aufgabe erfüllte, dem Kaiser als Gattin und Beraterin zur Seite zu stehen. Sie hatte in Doorn Aufenthalt genommen, als der Kaiser von Amerongen dorthin übersiedelt war, und ihm auch hier ausgleichend zur Seite gestanden, selbst aufs tiefste bewegt von dem Unheil ihres Hauses. Sie war aber Christin und hielt es für gottgewollt und war wie der Kaiser in das Schicksal ergeben. Wie mußte der Kaiser jetzt den Heimgang seiner Gattin in seiner Einsamkeit empfinden! Nach so bewegtem, abwechlungreichem Leben, das seinem vielleicht zu lebhaften Geist Anregung und Erfüllung gewährt hatte. Die Kaiserin wurde am 19.11. ....
Abb. 9: Beisetzung in Sansouci

Druckfehler! Richtig muß es heißen: 19. April 1921

.... im Antiken-Tempel unweit des neuen Palais bei Potsdam beigesetzt. Ich beschloß, an der Beisetzung teilzunehmen. (...) Auf der Wildparkstation waren die Prinzen des königlichen Hauses - der Kronprinz weilte noch in Wieringen -, zahlreiche Generale und Admirale des alten Heeres, die Würdenträger des früheren kaiserlichen Hofes versammelt. Viele Tausende harrten außerhalb des Bahnhofes und längs des Weges, den der schier endlose Trauerzug eingeschlagen hatte. In tiefer Stille fuhr der mit Kränzen überhäufte Sarg an der ergriffenen Menge vorüber. Wir schritten schweigend, General v. Hindenburg und ich mit Admiral v. Tirpitz, den Prinzen an der Spitze des Trauerzuges folgend, daher und begleiteten den Sarg bis in den Tempel, wo eine kurze und würdige Feier stattfand. Dann begab ich mich wieder zu meinem Kraftwagen. Es war, als ob eine Spannung der Menge sich löste. Sie gab mir gegenüber einer Begeisterung Ausdruck, die ich nach dem eben Durchlebten - ich möchte sagen nach dieser Feier - beinahe störend empfand, wenn nicht in ihr auch Zorn gegen das Deutsche Geschick und Erwartung auf eine Besserung gelegen hätte.
Abb. 10: Die Beisetzung der Kaiserin - Bahnhof Wildpark bei Potsdam - Hindenburg, Ludendorff, Tirpitz, Heeringen

Die Eindrücke, die Ludendorff in seinen Lebenserinnerungen niedergelegt hatte, werden von heutigen Historikern offenbar bestätigt (2):

Jörg Kirschstein: "Und dann hat sie auch ne ganz interessante Rolle während des ersten Weltkrieges gespielt. Gerade 1917/18 während der letzten Kriegsmonate hat sie viele Informationen dem Kaiser vorenthalten, um ihn zu schützen und hat sich da sehr, sehr demonstrativ aufgespielt als große erste Dame des Reiches, die eben nicht wahrhaben wollte, was passierte mit Deutschland - nämlich, daß die Monarchie abgeschafft wird, das wolle sie auf gar keinen Fall und da hat sie wie eine Hyäne gekämpft, daß das bestehen bleibt."

Abb. 11: Der Sargwagen

Und weiter heißt es (2):

Wie ungeheuer beliebt Auguste Victoria im Volk auch nach dem Krieg noch war, zeigte sich dann bei der Bestattung:
Jörg Kirschstein: "Ganz Potsdam war auf den Beinen. Es waren 200 000 Schaulustige gekommen, die den Weg vom Kaiserbahnhof, wo ja der Zug ankam, bis zum Neuen Palais gesäumt haben. Allein 6000 Offiziere haben Ehrenspalier gestanden. … Alles war schwarz verhüllt, nicht nur die Gebäude, auch die Menschen natürlich hatten Trauerkleidung angelegt und in den nächsten Tagen kamen über 3000 Kränze zum Antikentempel, die dann an der Fassade angebracht worden sind und ja es war …. ein sehr schöner Frühlingstag - und da wurde eben die Landesmutter, die ehemalige zu Grabe getragen."
Auch die sozialdemokratischen Zeitungen widmeten ihr respektvolle Nachrufe. So schrieb etwa das Berliner Tagblatt: "Man wird der Verstorbenen nachsagen dürfen, dass sie in ihrer Art und Natürlichkeit in den durch ihre Erziehung und Weltanschauung gesetzten Schranken stets bemüht gewesen ist, ihrem Gatten beizustehen und Gutes zu tun." Auguste Victoria hat sich wahrhaftig gemüht. (...) Sie verdient Achtung.

Die hier zitierte Biographie der Kaiserin sollte man bei Gelegenheit noch einmal als Ganzes lesen.

Abb. 12: Beisetzung der Kaiserin

Auguste Viktoria hatte sieben Kinder, sechs Söhne und eine Tochter.

Abb.: 13: Beisetzung

Dem Kronprinzen Wilhelm (1882-1951) (Wiki), ihrem ältesten Sohn, sowie dessen ältestem Sohn Wilhelm ist ja ein eigener Beitrag hier auf dem Blog gewidmet. Ein Jahr nach ihrem Tod im Jahr 1922 erschienen seine Erinnerungen (3). 


Über viele Seiten hinweg spricht er in diesem mit großer Hochachtung und Liebe von seiner Mutter. Er schildert sie als die Vertraute seiner Kindheit und Jugend. Zu seinem Vater hingegen habe er nie ein besonders herzliches persönliches Verhältnis gewinnen können. Diese Erinnerungen waren noch ganz unter dem Eindruck des Todes seiner Mutter niedergeschrieben.


Man sieht es auf den vielen überlieferten Fotografien (2):

Als sie am 11. April 1921 im holländischen Exil starb, trauerte das Volk um sie wie später um Lady Di.

 

/ Blogartikel gründlicher 
in der Bebilderung 
überarbeitet:
Dezember 2021 /

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  1. Traub, Gottfried:  Auguste Viktoria. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, S. 452
  2. Obert, Angelika: "Kirchenjuste" - ein Porträt. Deutschlandradio Kultur, 10.4.2011 Nach: Angelika Obert, Auguste Victoria, Wie die Provinzprinzessin zur Kaiserin der Herzen wurde. Wichern, Berlin 2011
  3. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volkschöpfung. Meine Lebenserinnerungen von 1919 bis 1925. Ludendorffs Verlag, München 1941 (12.-16. Tsd.)
  4. Erinnerungen des Kronprinzen Wilhelm. Hrsg. von Karl Rosner, Cotta, Stuttgart, Berlin 1922 (Auszug: Tagesspiegel 2015) (Archive)

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